Der Wert einer Ware ergibt sich aus Angebot und Nachfrage – das haben die meisten von uns einmal gelernt. Im Alltag ist das Preisschild sichtbar, sodass wir genau wissen, was wie geben müssen, um die Ware mitzunehmen.
Bei „psychischen Werten“ und anderen absrakten Werten ist die Sache nicht so klar: Wir wissen nicht was „es wert ist“, sondern nur „was es uns wert ist“. Wie bekannt, ist die „Eule des einen die Nachtigall des anderen“. Was konkret heißt: Eine Emotion, die für einen Menschen sehr wertvoll sein kann, könnte für einen anderen Menschen so gut wie keinen Wert haben.
Als Beispiel nehme ich hier Komplimente. Sie sind für die „Geber“ sehr „billig“, weil sie das eigene „Emotionskonto“ nicht belasten. Für die Nehmer(innen) können sie jedoch von außerordentlicher Bedeutung sein – oder auch weitgehend bedeutungslos. Woher mag das kommen?
Bevor ein Impuls die Emotionen eines Menschen „anspricht“ gehen sie im Gehirn durch ein „Vorzimmer“, in dem entscheiden wird, ob ein Gefühl überhaupt „durchgelassen“ wird. Das gilt für alle Gefühle, aber ich bleibe mal bei jenen, die durch Komplimente ausgelöst werden.
Ich will dies zum besseren Verständnis noch weiter ausführen. Unser Gehirn schützt sich vor „minimalen“ Impulsen von außen. Was durchdringt, muss also „von Wert“ sein. Minimale Veränderungen (kleine, bekannt Steigerungen der psychischen Werte) werden ebenso ignoriert wie kleine Verluste. Größere Gewinne werden mit Wohlwollen entgegengenommen und mit Dank belohnt.
Jeder Mensch empfindet Komplimente anders. Bekomm eine attraktive Person häufig Komplimente für eine Eigenschaft, die schon viel Bewunderung erzeugt hat (Aussehen), so nimmts sie dies einfach hin – ein besonderer Wert ist damit nicht verbunden. Ganz anders eine Person, die selten Komplimente bekommt oder geradezu darauf wartet, bewundert zu werden. Sie weist jedem Kompliment einen hohen Wert zu. Manche Menschen sammeln solche Komplimente als Trophäen für ihre Bemühungen (englisch: „Fishing for Compliments“). Authentische, ungewöhnliche oder sehr bereichernde Komplimente haben üblicherweise den höchsten Wert.
Die schlechteste Bewertung bekommen falsche Komplimente, wenn sie als solche erkannt werden. Manche Personen stellen den „Geber“ dann zur Rede. In der höflichsten Form sagt man zum Beispiel in England: „Ich betrachte dies als Kompliment (aber) … dann folgt eine Erklärung, warum die Person das Kompliment ablehnt.
Was ich hier am Beispiel erläutert habe, trifft auf alle Transaktionen zwischen Gebern und Nehmern zu. Sie zeigt zugleich, dass beim Geben und Nehmen entweder nur eine Person einen Gewinn einstreicht, beide Gewinnen oder niemand etwas gewinnt.
Im Bereich der engen, intimen Beziehungen kann sowohl das Geben wie auch das Nehmen einen Gewinn bedeuten, weil jeder zugleich Geber und Nehmer ist. Solche Konstellation mehren das individuelle GlĂĽck beider Partner und in der Gesamtsicht auch das des Paares.
Das gilt ebenso für gut ausgehandelte, etwas gleichwertige Gewinne für beide Partner im Berufs- oder Geschäftsleben. In diesem Fall spricht man gerne von Win-win-Situationen.
sehpferd 2025/11/04 17:59